Page 11 - Luzerner Seewoche - KW 41 - 2021
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DIENSTAG, 12. OKTOBER 2021 SEITE 11
Keine Klischees, sondern Authentizität
BRACHTUM – Roger Dörig stellt in seinem «Büdeli» in Appen- gen vermehrt grossen Wert da-
zell Hosenträger, Hundehalsbänder, Schellenriemen und die rauf, zu wissen, wer und was
weltbekannten Chueligurte her – alles in Handarbeit. Tauchen hinter einem Produkt steht. Sie
Sie ein in die Welt des letzten Sennensattlers der Schweiz und möchten keine Klischees, son-
erleben Sie die gelebten Traditionen hautnah. dern Authentizität.
Das nostalgische «Büdeli» von Freude zu haben», meint er. Was wünschen Sie sich für die
Roger Dörig beim Schloss Ap- «Meine Arbeiten sollen in der Zukunft für Ihre traditionelles
penzell ist ein Blickfang sowohl Tradition verwurzelt bleiben, Handwerk?
für Touristen als auch für Ein- aber ich möchte mit der alten Allgemein noch mehr Wert-
heimische. «Es ist wohl die un- Fertigungstechnik auch das schätzung, das heisst, dass das
modernste und gerade deshalb Kreative, Moderne wagen – Sen- Handwerk beispielsweise auch
auch die heimeligste Werkstatt nisches mit Design verbinden.» in den Schulen wieder einen
im Appenzellerland», schreibt grössreren Stellenwert be-
der passionierte Sennensattler Wieso fühlen Sie sich in ihrem kommt. Denn Handwerk hat
auf seiner Homepage. «Alles ist «Büdeli» so wohl? nach wie vor goldenen Boden
wie früher, wie zu Zeiten meines Roger Dörig: Während in den und wir benötigen gute Hand-
Grossvaters Hans Fuchs. Schon 70er-Jahren viele Bauten hier in werker. Sie sind unter ande-
als Bub habe ich ihm oft zuge- Appenzell renoviert und moder- rem das Rückgrat der Schweiz.
guckt und ein bisschen auspro- nisiert wurden, hat mein Gross- Bilder: Thomas Biasotto Wichtig ist mir auch, dass Tradi-
bieren dürfen, als Jüngling dann vater sein «Büdeli» nostalgisch Wo Brauchtum lebt: Die 136-jährige Werkstatt in Appenzell. tionen im Original beibehalten,
sein künstlerisches Handwerk gelassen. So ist es ein Blickfang gepflegt und weitergeführt und
erlernt. Es ist tief in der Appen- geblieben und wie eine Stube Hobby ist mein Beruf und ich täglich gelebt. Dies ergibt zahl- nicht durch die Globalisierung
zeller Brauchtumstradition ver- eingerichtet, wo Werkstatt mit gehe sicher nicht mit 65 Jahren reiche Synergien und Aufträge verwässert werden.
wurzelt», erzählt er. So pflegt er diversen Arbeitsplätz und Ver- in Pension. für das Sennenhandwerk.
das Althergebrachte sorgfältig kaufsraum ineinander ver- Interview: Corinne Remund
weiter und es entstehen pracht- schmelzen. Welchen Stellenwert haben Wir leben in aussergewöhnli-
volle Hosenträger, kunstvoll ge- Traditionen heute noch? chen Zeiten. Hat Bewährtes an
schmückte Schellenriemen und Was fasziniert Sie daran, Alt- Gerade im Kanton Appenzell Wichtigkeit gewonnen?
reich verzierte Chueligurte. Die hergebrachtes sorgfältig weiter Innerhoden ist das Brauchtum Absolut. Als Einmannbetrieb Roger Dörig ist 1970 in Ap-
Produkte sind echte Kostbarkei- zu pflegen? hoch im Kurs. Mit den Trach- nach dem Motto meines Gross- penzell geboren und als
ten. Besonders fasziniert mich das ten der Alpabfahrten, aber auch vaters «Bleib klein und al- Sennensattler eine Mi-
Dörig ist offen für Neues und Ziselieren – das ist eine span- typischen Produkten wie dem lein!...» haben ich aufgrund der schung aus Sattler und
experimentiert gerne mit krea- nende Nische. Die Vielfalt ist Appenzellerkäse oder Biber, Pandemie keine grossen Einbus- Goldschmied. Er hat eine
tiven Neuinterpretationen des hier unendlich. Ich kreiere dem Alpenbitter oder dem Lo- sen erlitten – zumal meine Auf- KV-Lehre absolviert und
alten Handwerkes. «Man muss hier nicht nur die traditionel- cher Bier und dem Appenzeller träge eine längere Auslastung war als Skirennfahrer
nicht unbedingt ein Senn sein, len Sujets wie Sennen, Chueli, Whiskytrek sowie unserer un- garantieren. Ebenso bin ich ge- international unterwegs.
um an fein gearbeiteten Or- sondern auch immer wieder vergleichbaren Musik, gehören rade jetzt mit meinem Online- 1994 trat er in die Stapfen
namenten in Silber, Messing, neue, moderne Ornamente – Traditionen zu unserem Alltag Shop auf dem richtigen Weg. seines Grossvaters und hat
Neusilber oder gar Gold seine das macht grossen Spass. Mein und werden von Jung und Alt Die Kundinnen und Kunden le- von ihm die über 125-jäh-
rige Werkstatt übernom-
men. Er betreibt diese in
vierter Generation und er-
hält damit das Appenzeller
Brauchtum am Leben: Ho-
senträger, Hundehalsbän-
der, Schellenriemer oder
Chueligurte verziert er mit
Metallbeschlägen, die Mo-
tive aus dem Alltag der
Sennen zeigen. Ein zent-
raler Teil ist das Ziselieren.
Dabei werden die Metall-
teile mit Punzen und Ham-
mer präzise bearbeitet und
erhalten so ihr traditionel-
les Aussehen. CR
www.roger-doerig.ch
Fingerspitzengefühl beim Ziselieren. Sennensattler aus Leidenschaft: Reto Dörig
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