Page 7 - Surseer Zeitung - KW 41 - 2015
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INTERVIEW Freitag, 9. Oktober 2015 Seite 7 Mit Mitleid allein ist niemandem geholfen Christoph Blocher über die Flüchtlingskatastrophe und politische Ambitionen seiner Tochter Er gilt nach wie vor als Übervater der SVP. Christoph Blo- cher wird gehasst und geliebt wie kaum ein anderer Politi- ker. Was er über seine Feinde denkt, wie gross sein Einfluss auf Tochter Magdalena Martullo-Blocher ist und was ihm bei den Bilder der Flüchtlingsströme im Fernsehen als ers- tes durch den Kopf ging, verrät er im Interview. Sie gelten immer noch als Ga- als ich. Ich bin als ursprüngli- lionsfigur der SVP, der an den cher Bauer ja ein «Handglisme- Strippen zieht. Fehlt es Ihren ter». Wusste früher nicht was potentiellen Nachfolgern an eine Bilanz ist, und wie man sie Charisma? liest. Das habe ich alles in der Nennen Sie mir einen Politiker Praxis gelernt. Magdalena hat aus einer anderen Partei, der ein Hochschulstudium in Öko- Charisma hat (lacht)! Im Ernst: nomie und spricht vier Spra- Die Zeiten, in der ich die Fäden chen. Und wenn sie etwas im zog, sind vorbei. Meine Aufgabe Kopf hat, vertritt sie das fast war in den 70/80-er-Jahren, die noch vehementer als ich. Als SVP vor dem Ruin zu bewah- ich Bundesrat wurde und sie ren. 1975 hatte sie noch 9,9% deswegen an die Spitze unserer der Stimmen und der dama- Firma setzte, dachten sich ei- lige Parteipräsident Helmut Hu- nige Ingenieure und Chemiker, bacher zweifelte an ihrer Exis- sie hätten ein leichtes Spiel mit tenzberechtigung. Heute ist sie ihr. Da wurden sie aber eines mit über 26% die wählerstärkste Besseren belehrt (lacht). Partei des Landes. Wenn eine starke Person verschwindet, ist das, wie wenn eine grosse Eiche Magdalena steht als Chefin der gefällt wird. Auf ihrem Grund Ems-Chemie vor, Mann Ro- wachsen junge Bäume nach. berto Martullo-Blocher führt Und wir haben an der Spitze ein den Haushalt? Wären Sie be- Bild: zVg paar sehr fähige Persönlichkei- reit gewesen, sich für die Kar- Bezeichnet sich als gefühlvoller Mensch – SVP-Urgestein Christoph Blocher ten. Denken Sie an Parteipräsi- riere ihrer Frau in den Hinter- dent Toni Brunner, Fraktions- grund zu stellen? Wenn Frau Merkel sagt, dass ausbilden, damit sie in ihrem mer auch Gegner. Ein Linker, präsident Adrian Amstutz, Ro- Bei uns stellte sich diese Frage sie alle aufnimmt, kommen na- Land später kranke Menschen dessen Ansichten den meinen ger Köppel, Thomas Matter, Na- nie. Roberto hat ein eigenes Per- türlich Menschen aus der gan- behandeln und kurieren kön- diametral entgegengesetzt sind, talie Rickli, Albert Rösti, Heinz sonalberatungs-Unternehmen, zen Welt. Kriegsflüchtlinge nen. Doch die blieben alle hier kann mich ja nicht umarmen Brand – um nur einige zu nen- das ihm erlaubt, etwas kürzer sind etwas Besonderes und und heirateten Europäerinnen. und gern haben. Es waren un- nen. Meine Aera im Nationalrat zu treten, wenn es die Situation man muss ihnen Schutz, aber Sehr viel Freude macht mir hin- gefähr 30 Personen, die in Dor- ist vorbei und es ist Zeit für eine erfordert. Weil meine Tochter nicht Flüchtlingsstatus, gewäh- gegen die von mir gegründete nach demonstrierten. Das habe neue Generation. Ich will jetzt zurzeit sehr beansprucht ist, ren. Das hat die Schweiz im 2. Stiftung Musikinsel Rheinau. ich schon öfters erlebt. Von mir meine ganze Kraft dem Kampf tut er das gerne für die Fami- Weltkrieg notabene auch ge- In den ehemaligen, frisch um- aus können auch Protestler zu gegen den schleichenden EU- lie. Und macht es hervorragend! macht und mehr als 100‘000 gebauten Klosteranlagen fin- Veranstaltungen kommen, an Beitritt widmen. Kriegsflüchtlingen Schutz ge- den bis zu 130 Musikschaffende denen ich teilnehme und auch boten. Aber diese Flüchtlinge Raum und Unterkunft für ihre in der Diskussion das Gegen- Würden Sie sich als empa- müssen sobald wie möglich wie- Kreativität. teil sagen. Nur stören – das geht Ihr Wunschkandidat für die thisch bezeichnen? der zurück in ihre Heimatlän- aber nicht. Bundesratswahlen im Dezem- Ja, ich bin ein gefühlsvoller der, wo sie gebraucht werden. ber ist Toni Brunner. Der will Mensch. Wirtschaftsflüchtlinge sollten Ein junger Schweizer begrün- aber nicht. Brunner selber hingegen konsequent zurück- det seine Wahlabstinenz fol- Was halten Sie von der Zürcher schlug Adrian Amstutz vor. Der geschafft werden. Es war eine gendermassen: «Ich wähle Medienlandschaft? will aber auch nicht. Was jetzt? Was ging Ihnen als Erstes durch Dummheit, Kriegsverweigerer nicht, weil es absurd ist, einen Die Medien sind heute arm dran. Ich werde Toni Brunner weiter- den Kopf, als Sie im Fernse- aus Eritrea den Flüchtlingssta- Millionär aus der Elite zu wäh- Presse- und Meinungsvielfalt hin bearbeiten. Ob es mir ge- hen die Bilder der Flüchtlings- tus in der Schweiz zu gewäh- len, der meine Probleme nicht gibt es nicht mehr. Politisch be- lingt, ihn zu gewinnen, weiss ströme mit all den verzweifel- ren. Jetzt hört der Strom nicht nachvollziehen kann». Was sa- wegen sich die meisten Zeitun- ich natürlich nicht. Mir sind ten Menschen sahen? mehr auf. Deshalb sind stren- gen Sie dazu? gen etwa in der Mitte. Und wenn aber grundsätzlich Leute lie- Ich war nicht so bewegt, wie alle gere Grenzkontrollen von Nö- Dann soll er doch einen wählen, sie einmal schiessen, dann am ber, die sich in Zurückhaltung anderen, denn ich hatte im Bun- ten, denn das Schengen/Dub- der nicht Millionär ist und seine liebsten gegen die SVP! üben. Es beweist, dass sie nicht desrat vier Jahre Erfahrung da- lin-Abkommen, das Grenzkon- Probleme vertritt! Er denkt von egoistischen Motiven oder mit. Die Bilder zeigen nicht die trollen verbietet, funktioniert wohl, jemand mit Millionen auf Karrieregeilheit angetrieben Realität sondern Ausschnitte, ja überhaupt nicht. Bundesrätin dem Konto kenne die Sorgen Ab 10. Oktober 2015 werden werden. Ich wollte ja eigentlich die gewisse Emotionen schüren Sommaruga sagte, die Schweiz im Leben nicht. Es stimmt aber in der Ausstellung «Meis- auch nie Bundesrat werden. sollen. Ich habe mich ja jahre- schicke niemanden zurück in sehr wohl, dass viele Politiker terwerke aus der Sammlung Aber manchmal muss man halt. lang intensiv mit der Auslän- eine Diktatur. Das heisst ja, Mil- elitär und kaum noch volksnah Christoph Blocher» im Win- der- und Asylpolitik auseinan- liarden sind willkommen, auch sind. Die Schweizer Bürgerin- terthurer Museum Oskar Rein- dergesetzt und kenne die Hin- wenn man dies nicht bewältigen nen und Bürger haben ja Gott- hart ihre Bilder von Anker, Ihre Tochter Magdalena Mar- tergründe. Natürlich tun mir kann. Die können wir nicht auf- seidank die Möglichkeit, ein Hodler, Giacometti, Segantini tullo-Blocher kandidiert für Leute leid, denen es schlecht nehmen, das ist total unrealis- Referendum zu ergreifen, wenn u.v.m. gezeigt. Sie besitzen die den Nationalrat. Wie stark ist geht. Aber mit dem Mitleid al- tisch und nicht ehrlich. Konse- ihnen etwas nicht passt. Nur bedeutendste Privatsamm- sie von Ihnen beeinflusst und lein ist niemandem geholfen, quent kontrollieren und konse- muss man diese Chance auch lung an Schweizer Kunst um was wird Sie Ihrer Meinung sondern nur mit einer klaren Li- quent handeln ist und die wir- aktiv nutzen. 1900. Welchen Ausgleich zum nach anders machen als Sie? nie. Leute, die an Leib und Le- kungsvolle und humane Devise. Alltag gibt Ihnen die Malerei? Es ist für einen Vater schwierig ben bedroht sind, sollen aufge- Als Bundesrat habe ich dies da- Ich weiss erst seit kurzem, dass zu sagen, wie stark seine Toch- nommen werden – das sind we- mals bewiesen. Demonstranten wollten un- ich eine Sammlung habe! Für ter von ihm beeinflusst ist. Mag- nige. Alle anderen nicht. Damit längst bei einer ihrer Wahlver- mich sind das einfach Bilder, dalena hat Erbmasse von mir, wird auch den vielen Schlep- anstaltungen «SVP bi de Lüüt» die bei mir zuhause hängen und und meine Frau und ich haben perbanden das Handwerk ge- Wann haben Sie zuletzt Geld in Dornach auf Sie losgehen mir Freude bereiten. Ich liebte sie erzogen. Viele sagen, sie glei- legt. Ich rege mich grauenhaft gespendet und für was? und wurden von der Polizei ge- die Kunst schon immer, ganz che mir aufs Haar und habe ei- auf, wie die jetzige Flüchtlings- Ins Detail gehen möchte ich stoppt. Sie haben ihre Bewun- besonders Malerei und Musik. nen ähnlichen Führungsstil krise – die eine Führungskrise nicht, denn ich bin keiner, derer, aber ebenso viele Men- Als ich es mir finanziell leis- wie ich. Ich beeinflusse sie je- ist – gehandhabt wird. der das an die grosse Glocke schen, die Sie nicht leiden kön- ten konnte, erstand ich mir ei- doch in keinster Weise, schon hängt. Vor Jahren baute ich nen. Wie gehen Sie mit diesem nige Originalwerke. Von ihnen gar nicht in politischen Ange- in Ghana (Afrika) eine Heb- Hass um? umgeben zu sein, bedeutet für legenheiten. Lange wusste ich Was wäre für Sie denn ein kon- ammen-Schule und ein Spital. Es ist das Recht von jedermann, mich viel – denn sie zeigen mir gar nicht, dass sie im Kanton struktiver Weg aus der aktuel- Das war ein Fehler. Denn we- zu hassen. Eine Persönlichkeit die Schönheit der Welt. Graubünden für den National- len Misere, statt nur Grenzen gen des Mangels an Fachkräf- des öffentlichen Lebens, die et- rat kandidiert. Meine Kinder zuzumachen und Menschen ten, liess ich dafür vier afri- was bewirkt, hat neben Leu- Interview: sind alle viel besser ausgebildet abzublocken? kanische Ärzte in der Schweiz ten, die hinter ihr stehen, im- Ursula Burgherr
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