Page 11 - Luzerner Seewoche - KW 43 - 2021
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DIENSTAG, 26. OKTOBER 2021                                             BIO SUISSE                                                                           SEITE 11





           «Ein gutes Gefühl, ohne auf Kosten anderer zu geniessen!»




          Die  Knospe  sorgt  für  ein                                                                        Der Bundesrat gab das Verord-    Wo stösst die Aufnahmekapazi-
          Gleich gewicht      zwischen                                                                        nungspaket «Massnahmenpa-        tät des Marktes an seine Gren-
          Mensch, Tier und Natur. Bio-                                                                        ket sauberes Wasser» in die  zen, bei welchen Produkten be-
          Artikel boomen zurzeit – auch                                                                       Anhörung Aber es fehlt doch  steht noch Potenzial?
          dank der Pandemie, die ver-                                                                         weiterhin ein klares Bekennt-    In Preisverhandlungen unter-
          deutlicht, dass weniger auch                                                                        nis zum Biolandbau?              stützt die Geschäftsstelle von
          mehr bedeuten kann. Urs                                                                             Das ist in der Tat erstaunlich  Bio Suisse in Basel die Bio-Bau-
          Brändli, Präsident Bio Suisse,                                                                      und unverständlich. Gerade  ern tatkräftig. Die Preise ver-
          über das gegenseitige Ver-                                                                          auch im Vergleich mit unse-      handeln die Bio-Bauern aber
          trauen  zwischen  Produzen-                                                                         ren Nachbarn in der EU, die bis  immer selbst. Die direkte Be-
          ten und Konsumenten, die Si-                                                                        2030 25 Prozent Bio-Fläche er-   troffenheit ist der beste Garant
          cherung der Biodiversität, be-                                                                      reichen wollen. Zudem werden  für den engagierten Einsatz in
          wussten Konsum sowie ver-                                                                           schon heute sehr viele Metho-    Preisrunden.
          antwortungsvolles Einkaufen.                                                                        den und Hilfsmittel, die im Bio-
                                                                                                              landbau erprobt sind, in der ge-  Wie nutzen Sie den Schub von
          Der Dachverband Bio Suisse ist                                                                      samten Landwirtschaft ange-      Corona und sensibilisieren
          seit seiner Gründung im Jahre                                                                       wendet. Wir stellen zwar fest,  noch mehr Konsumentinnen
          1981 zu DER Bio-Organisation in                                                                     dass Politik und Verwaltung Bio  und Konsumenten für Bio-Pro-
          der Schweiz herangewachsen.                                                                         gegenüber durchaus wohlge-       dukte?
          Wie war das möglich?                                                                        Bilder: zVg  sinnt sind. Dass aber mehr Bio-  Es ist ein gutes Gefühl, ohne auf
          Urs Brändli: Mit der Gründung  Auf Wachstumskurs: Diese erfreuliche Entwicklung bietet weiteren Betrieben   Betriebe automatisch zu einer  Kosten  anderer  zu  geniessen.
          der Vereinigung Schweizerischer  die Chance, eine Umstellung auf Bio zu prüfen.                     Verringerung vieler Probleme  Egal ob der Grund die eigene
          Biologischer Landbau-Organisa-                                                                                                       Gesundheit oder der Schutz von
          tionen VSBLO haben sich sechs  Verpflegung» mehr möglich war.  dass viele Leute Hofläden für                                         Umwelt und Natur ist. Beides
          Organisationen auf gemeinsame  Zudem konnten viele Bio-Hoflä-     sich entdeckten oder sich zum                                      ist  bei  vielen  Leuten  während
          Richtlinien für den biologischen  den neue Kundinnen und Kun-     ersten Mal Lebensmittel direkt                                     Corona in den Fokus gerückt.
          Anbau verständigt. Diese Eini-   den begrüssen – oftmals konnte  ab Hof nach Hause liefern lies-                                     Wem Bio-Produkte im Handel
          gung war nötig, um dem dama-     die verstärkte Nachfrage kaum  sen. Der Direktverkauf hat deut-                                     zu teuer erscheinen, der findet
          ligen politischen Druck standzu-  bewältigt werden. Eine stetig  lich zugelegt. Dies ist erfreulich,                                 immer mehr Angebote direkt ab
          halten. Es gab Bestrebungen, das  wachsende Nachfrage  hat  den  denn es fördert das gegensei-                                       Hof oder via Internet. Bio Suisse
          Wort «Bio» bei Lebensmitteln zu  heutigen Erfolg der Knospe erst  tige Vertrauen zwischen Produ-                                     unterstützt seine Mitglieder da-
          verbieten.  Die  Einführung von  ermöglicht. Diese erfreuliche  zenten und Konsumenten. Zu-                                          bei aktiv. Die weitere Sensibi-
          Naturaplan durch Coop im Jahr  Entwicklung bietet weiteren Be-    dem entsteht eine Win-win-Situ-                                    lisierung der Konsumierenden
          1993 und dem Bekenntnis zur  trieben die Chance, eine Umstel-     ation, denn so fallen die Margen                                   gehört zu unseren Hauptanlie-
          Knospe brachte der noch jun-     lung auf Bio zu prüfen.          des Zwischenhandels weg.                                           gen. Die Umwelt- und Klimabe-
          gen Bio-Bewegung viel Schub.                                                                                                         lastungen unserer Ernährung
          Die Nachfrage stieg kontinuier-  Wird der Trend zu mehr Nach-     Sie können es sicher gut beurtei-                                  belaufen sich in der Schweiz auf
          lich, immer mehr bäuerliche Be-  haltigkeit anhalten, wenn die  len: Wie schlimm steht es um                                         rund 28 Prozent der Gesamtbe-
          triebe stellten auf Bio um und  Pandemie vorbei ist?              die Biodiversität in der Schweiz?                                  lastung. Das heisst, jede Person
          schlossen sich Bio  Suisse  an.  Covid-19 hat den Aspekt der Ge-  Der Verlust nimmt immer grös-                                      kann mit verantwortungsvollem
          Eine klare Markenpolitik und die  sundheit stärker ins Bewusstsein  sere Ausmasse an. Vor 30 Jah-                                    Einkaufen und bewusstem Kon-
          stetige Weiterentwicklung der  der Bevölkerung gerückt. Auch  ren musste man bei einer Auto-        Bio Suisse-Präsident Urs Brändli er-  sum viel zur Entlastung der Um-
          Richtlinien sorgen bis heute für  hat die Pandemie vielen Leuten  fahrt regelmässig die Insekten  wartet, «dass die Politik ihre Verant-  welt beitragen. Wenn jede und
          höchste Standards und einem  verdeutlicht, dass weniger auch  von der Frontscheibe wischen.  wortung gegenüber der nächsten Ge-      jeder seinen Konsum von Bio-
          entsprechenden Vertrauen bei  mehr bedeuten kann. Ich kann  Heute ist dies nur noch selten  neration endlich wahrnimmt.»             Produkten pro Jahr um 10 Pro-
          unserer Kundschaft.              zwar als einzelne Person die Welt  der Fall. Auch wenn gewisse In-                                  zent erhöht, dann stellen auch
                                           nicht verändern, aber meinen  sekten für uns Menschen lästig  führt, die eine intensive Land-       die Bauern laufend auf Bio um.
          Was steckt hinter der Knospe,  Beitrag dazu leisten. Dass immer  erscheinen, so dürfen wir ihre  wirtschaft auslösen, scheint in  Innert weniger Jahre würde die
          die Marke der Schweizer  Bio-    mehr Menschen so denken und  Wichtigkeit nicht unterschät-         Bern nur wenigen bewusst. Bio  Schweizer Landwirtschaft zu
          Produzentinnen und Produzen-     handeln, freut mich sehr.        zen. Nicht nur den Vögeln, son-   Suisse wird in den nächsten  100 Prozent biologisch.
          ten?                                                              dern vielen weiteren Tierar-      Jahren alles daransetzen, diese
          Die Knospe gehört den Bio-Bäue-  Bio Suisse setzt den Fokus auf  ten und auch uns Menschen si-      Optik zu verändern.              Was sind momentan die Haupt-
          rinnen und -Bauern. Selbstbe-    die Gemeinschaftsgastronomie.  chern sie das Überleben. Dass                                        anliegen von Bio Suisse an die
          stimmt entscheiden sie über die  Weshalb?                         Bienen als Bestäuber wirken,  Bio Suisse hat die beliebte Han-     Politik?
          Anforderungen, die zu erfüllen  In der Schweiz verpflegen sich  ist bekannt. Aber Wildbienen,  delsplattform «Bio Börse»  Als Grossvater erwarte ich von
          sind. Unsere Richtlinien gehören  täglich fast eine Million Perso-  die viel fleissiger bestäuben als  komplett überarbeitet. Wie ge-  der Politik, dass sie ihre Verant-
          zu den strengsten weltweit, was  nen in Kantinen, Spitälern, Al-  die Honigbienen, sind beson-      staltet sich nun der neue Auf-   wortung gegenüber den nächs-
          unabhängige Labelratings (z.B.  tersheimen, etc. Bio-Produkte  ders stark bedroht. Viele Insek-     tritt unter biomondo.ch?         ten Generationen endlich wahr-
          von  Push/WWF)  auch immer  werden in öffentlichen Küchen  ten dienen uns auch als natürli-         Eine Modernisierung der «Bio  nimmt. Oder sollen wir unseren
          wieder belegen. Hohe Transpa-    jedoch sehr selten verwendet.  che Feinde von Schädlingen in  Börse» war dringend angezeigt.  Enkeln später mal erklären – ja,
          renz und Rückverfolgbarkeit  Die Forderungen werden immer  Feld und Garten, so zum Bei-             Dies ist nun gelungen, ist aber  wir haben’s schon gewusst, aber
          schaffen grosses Vertrauen in  lauter, dass auch öffentliche In-  spiel Schlupfwespen und Ma-       nur eine erste Etappe. In einem  es war uns zu teuer? Die Poli-
          der gesamten Wertschöpfungs-     stitutionen bei der Verpflegung  rienkäfer. Eine intensive Land-   zweiten Schritt wird die be-     tik muss künftig berücksichti-
          kette – vom Anbau, über die Ver-  nachhaltiger werden müssen  –  wirtschaft hat einen grossen  stehende Vermarktungsplatt-           gen, dass Landwirtschaft und
          arbeitung, bis hin zu den Kon-   zu Recht. Bio Suisse will die zu-  Einfluss auf Kleintiere, wie auch  form «knospehof.ch», die Ange-  Ernährung in engem Zusam-
          sumierenden. Die Knospe bie-     ständigen Stellen auf diesem  auf die Vielfalt der Pflanzenar-     bote von Bio-Betrieben und Li-   menhang stehen. Unser Land
          tet umfassende Nachhaltigkeit.  Weg unterstützen. In der Ge-      ten. Erst kürzlich berichtete  zenznehmern öffentlich macht,  braucht dringend eine Ernäh-
          Nicht nur im Bereich Ökologie,  staltung des Angebotes für ihre  Agroscope – das Schweizer Ag-      integriert. Später soll biomondo.  rungsstrategie. Die erfolgsver-
          sondern auch bei Ökonomie und  Kundschaft, aber  auch  bei  der  rarforschungs-Institut –, dass  ch auch zur Plattform werden,  sprechendste Massnahme hin
          Sozialem. Die Knospe sorgt also  Beschaffung von Bio-Produkten.  ein Feld, das nach Bio-Richtli-    wo Bio-Betriebe ihre Waren ge-   zu einem nachhaltigen Konsum-
          für ein Gleichgewicht zwischen  Je mehr Bio-Produkte auch bei  nien bewirtschaftet wird, eine  meinsam anbieten können. So  verhalten wäre, in allen Kon-
          Mensch, Tier und Natur.          der «ausser Haus Verpflegung»  um  230 Prozent  höhere  ober-      können künftig zum Beispiel  sumgütern die wahren Kosten
                                           zur Auswahl stehen, umso mehr  irdische Pflanzenartenvielfalt  Gastro-Küchen, die grössere  abzubilden. Nicht von heute auf
          Der Umsatz mit Bio-Artikel hat  Betriebe werden auf Bio umstel-   ausweist. Auch fanden sie 90  Mengen  an  Lebensmitteln  be-       morgen, aber Schritt für Schritt.
          im letzten Jahr einen Rekord  len.                                Prozent mehr Regenwürmer in  nötigen, ihren Bedarf via einen  Das wäre ein sehr liberaler Weg,
          mit einem Wachstum um 20 Pro-                                     Bio-Parzellen. Bio leistet somit  Kontakt decken.                  der gut zu unserem Land passt.
          zent zu verzeichnen. Was bedeu-  Was bedeutet Corona für die  einen wichtigen Beitrag zur Si-                                        Von der künftigen Agrarpolitik
          tet das für Bio Suisse und Ihre  Bauern?                          cherung der Biodiversität. Ge-    Die  Bio-Bäuerinnen  und  Bio-   erwarten wir, dass sie vom Weg
          Produzent  innen und Produzen-   Freud und Leid gleichzeitig. Im  nauso wichtig aber ist, dass alle  Bauern benötigen faire Preis.  der 1000 Massnahmen abrückt
          ten?                             Lockdown war die Bewegungs-      Menschen dazu beitragen. Las-     Wie können Sie diese immer  und sich zielorientiert gestaltet.
          Dieses enorme Wachstum freut  freiheit auf einem landwirt-        sen Sie Pflanzen auf ihrem Bal-   gewährleisten?                   Zudem sollten kontrollierte und
          uns sehr. Wir sind uns aber be-  schaftlichen Betrieb sicher grös-  kon spriessen, verzichten Sie  Faire Preise sollten grund-       zertifizierte Anbausysteme wie
          wusst, dass Pandemie und Lock-   ser als in einer Stadtwohnung.  auf Steineinöden rund ums  sätzlich für alle Betriebe gel-          Bio oder IP nicht nochmals For-
          down mit dazu beigetragen ha-    Aber das soziale Leben leidete  Haus und überlassen sie einen  ten, weltweit. Bio Suisse unter-     mulare ausfüllen müssen, bzw.
          ben. Wer regelmässig Bio-Pro-    genauso. Geschlossene Grenzen  Teil ihres Gartens der Natur –  stützt ihre Mitglieder, indem sie  kontrolliert werden.
          dukte einkauft, hatte grösseren  und eine eingeschränkte  Rei-    schon bald werden sie sich an  grösstmögliche Transparenz im
          Bedarf, da keine «ausser Haus  sefreiheit haben dafür gesorgt,  der neuen Vielfalt erfreuen.        Bio-Markt schafft.                              Corinne Remund
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